Witze aus Freuds „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“

  • Von Professor Zaius
  • 1. Dezember 2018

Eigentlich schadet es Witzen, sie zu erklären. Dass das nicht immer der Fall sein, muss beweist Freuds 1905 erschienener Text „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“. Darin zerlegt Freud Seite um Seite Witze und weist auf ihre technischen und psychologischen Eigenschaften hin. Unfreiwillig komisch ist dabei Freuds kleinteilige Herangehensweise an das Thema, so zum Beispiel, wenn neben beschreibender auch die graphische Darstellung für die Analyse eines Witzes hinzugezogen wird. Zumindest scheint es recht ungewöhnlich, einer Heine-Passage gleich einen ganzen Syllogismus zu widmen.

Syllogismus, Seite 22

Neben der theoretischen Leistung ist Freuds Schrift, jedoch vor allem eins: tatsächlich witzig. Das liegt vor allem daran, dass das Material von „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ im Vergleich zu herkömmlichen Witzesammlungen eine niedrigere qualitative Schwankbreite besitzt. Freud versammelt im ersten Teil des Aufsatzes die berühmtesten humoristischen Autoren des 18. Und 19. Jahrhunderts wie Heine und Lichtenberg. An dieser Stelle werden daher die komischsten der dort erwähnten Witze wiedergegeben:

S. 36:

„Wie geht's“ fragte der Blinde den Lahmen. „Wie sie sehen“ antwortete der Lahme.

S. 43f.:

Das Ehepaar X lebte auf großem Fuße. Nach der Ansicht der einen soll der Mann viel verdient und sich dabei etwas zurückgelegt haben, nach der Ansicht der anderen wieder soll sich die Frau etwas zurückgelegt und dabei viel verdient haben.

S. 52:

Ein Mann, der dem Trunk ergeben ist, ernährt sich in einer kleinen Stadt durch Lektionengeben. Sein Laster wird aber allmählich bekannt, und er verliert infolgedessen die meisten seiner Schüler. Ein Freund wird beauftragt, ihn zur Besserung zu mahnen. „Sehen Sie, Sie könnten die schönsten Lektionen in der Stadt haben, wenn Sie das Trinken aufgeben wollten.“ – „Wie kommen Sie mir vor?“ ist die entrüstete Antwort. „Ich geb’ Lektionen, damit ich trinken kann; soll ich das Trinken aufgeben, damit ich Lektionen bekomme!“

S. 65:

Die Erfahrung besteht darin, dass man erfährt, was man nicht zu erfahren wünscht.

Von Heine (S. 67):

Im Allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingeteilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh, welche vier Stände doch nichts weniger als scharf geschieden sind.

Von Lichtenberg (S. 81):

Es ist schade, dass man bei Schriftstellern nicht die gelehrten Eingeweide sehen kann, um sie zu erforschen.

S. 87:

Und weil er Geld in Menge hatte, lag er stets in der Hängematte.

Lichtenbergs Ergänzung zu Shakespeare (S. 70):

Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumen lässt. Aber es gibt auch vieles in der Schulweisheit, das sich weder im Himmel noch auf Erden findet.

Und zum Abschluss, da in letzter Zeit auch einige Rezensionen auf Affenspaß erschienen sind, (S. 80):

Ich sehe die Rezensionen als eine Art von Kinderkrankheit an, die die neugeborenen Bücher mehr oder weniger befällt. Man hat Exempel, dass die gesündesten oft daran sterben und die schwächlichen oft durchkommen. Man hat oft versucht, ihnen durch Amulette von Vorrede und Dedikation vorzubeugen oder sie gar durch eigene Urteile zu makulieren; aber es hilft nicht immer.


Literatur: Sigmund Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. Studienausgabe. Band IV, Frankfurt am Main: Fischer-Verlag 1970.

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