Wie wichtig war der Buchdruck für die Reformation?

  • Von Michael Crass
  • 20. Mai 2017

Die Erfindung des Buchdrucks von Johannes Gutenberg um 1450 wird oft als notwendige Entwicklung für die Reformation gesehen. Wie hätten sich Martin Luthers 97 Thesen ab 1517 gut verbreiten können, wenn der effiziente Buchdruck zuvor nicht eine Medienrevolution in Europa ausgelöst hätte? Folgt so direkt aus dem Buchdruck ab dem 15. Jahrhundert auch der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648?

Medien im 16. Jahrhundert

Um die Bedeutung des Buchdrucks für die Reformation zu verstehen, ist es wichtig die Medien zur Zeit von Martin Luther zu betrachten. Auch wenn ab 1450 sich der Buchdruck schnell in Europa ausbreitete (besonders in Italien) und endlich Bücher nicht mehr abgeschrieben werden mussten, war das Buch nicht das wichtigste Medium, besonders vom alltäglichen Gebrauch und von der Quantität her nicht. Die Vorstellung vom gedruckten Buch als Mittel zur Reformation alleine reicht auch nicht, weil die Reformation damit bloß eine Sache der alphabetisierten Elite gewesen wäre. Der gemeine Mann hätte damit nichts zu tun gehabt. Die Kommunikation wäre nur von oben nach unten gewesen. Die Reformation war jedoch eine größere Bewegung auch der Unbelesenen.

Die Medien, die im 16. Jahrhundert überwiegend genutzt wurden, waren hauptsächlich mündlich. Neuigkeiten oder öffentliche Bekanntmachungen wurden meist auf dem Marktplatz oder von der Kanzel aus vorgelesen. Predigten waren natürlich viel wichtiger als heute. Dazu wurden Nachrichten oft in Wirtshäusern verbreitet von Reisenden auf Durchreise. Dort wurde auch diskutiert. Das war kein Privileg der belesenen Oberschicht, sondern auch Sache des gemeinen Mannes.

Auch wurde das Medium der Aktivität oder der Bewegungen mehr gebraucht: Gedanken und Ideen wurden in Demos und Prozessionen verbreitet. Außerdem wurde mehr gesungen: Dabei musste man die Texte kennen (-lernen) und sich zu ihnen aktiv bekennen.

Schriftliche Medien waren natürlich nicht unbedeutend: Allerdings war das Lesen selbst anders als heutzutage. Es wurde weniger privat und leise gelesen, dafür mehr öffentlich und laut. Lesen war meist ein Vorlesen in Gemeinschaft. Damit wurde das schriftliche Wort in das Mündliche übertragen und auch Analphabeten zugänglich.

Flugblätter und Reden in der Reformation

Auch wenn das Medium Buch selbst nicht so entscheidend war, wie man vielleicht annehmen würde, mindert das nicht die Bedeutung der Druckerpresse für die Reformation. Analphabeten sind zwar geschriebene Wörter unzugänglich, aber Bilder sind gewiss weniger voraussetzungsreich. Das gedruckte Medium der Reformation waren Flugblätter. Mit Gutenbergs Erfindung war es so einfach und günstig wie nie zuvor, einzelne Papiere mit Botschaften in Umlauf zu bringen. Man konnte sie billig drucken und schnell wegwerfen, falls sich staatliche oder kirchliche Autoritäten näherten. Flugblätter waren ein gutes Mittel gegen die Zensur dieser Zeit.

Meist waren auf den Flugblätter Papstkarikaturen und Lutherabbilder abgedruckt. Sie hatten klare Botschaften und sie machten Luther so bekannt, dass er auf seinem Weg von Wittenberg hin zum Reichstag zu Worms im Jahr 1521 (ca. 450 km) in den Dörfern des Reiches von Menschen erkannt wurde. Zusätzlich nutzte Martin Luther die Gelegenheit, in jedem Dort auf diesem Weg Reden zu halten. So gewann Luther glühende Anhänger.

Fazit

Die Gutenbergsche Druckerpresse hat die frühe Neuzeit eingeleitet. Außerdem hat sie es stark erleichtert, Medien in Umlauf zu bringen. Damit hat diese Erfindung natürlich auch der Reformation geholfen. Jedoch dürfen andere Medien nicht unterschätzt werden. Es war nicht nur das Buch, auch nicht bloß das Flugblatt. Verbale Kommunikation spielte eine große Rolle, vielleicht eine größere als das Buch.


Literatur: Scribner, Robert W.: Flugblatt und Analphabetentum. Wie kam der gemeine Mann zu reformatorischen Ideen? In: Köhler, Hans-Joachim (Hrg): Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit. Beiträge zum Tübinger Symposion 1980 Stuttgart, Klett-Cotta, 1981.

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