Wie können sich Menschen nach Descartes Freiheit einbilden?

Ist es möglich, weniger frei in Entscheidungen zu sein, als man selbst denkt? Laut René Descartes ist das einfach möglich, wenn man bedenkt, welche Arten von Entscheidungen es gibt.

3 Typen von Entscheidungen

Nach  Descartes gibt es drei Entscheidungstypen: Beim ersten Typ von Entscheidung weiß man genau, was richtig oder falsch ist. Man ist entschlossen und zögert nicht, da man von Anfang an orientiert ist. Eine solche Entscheidung ist aus guten Gründen absolut nicht indifferent. Gott trifft nur solche Entscheidungen, da es ihm nie an Wissen mangelt und er die größte Freiheit hat. So müsste Gott in einem Wald niemals überlegen, welcher Weg der richtige ist, da er alles weiß und sich daher richtig entschließt.

Auch ohne vollständiges Wissen über einen Sachverhalt zu haben und die Folgen zu kennen, kann man entschlossen sein. Anfänglich hat man keinerlei Orientierung, da man nicht weiß, wie man sich sinnvoll zu etwas entschließen kann. Trotz des Mangels an Erkenntnis kann man sich alleine dadurch Orientierung verschaffen, in dem man sich praktisch orientiert und sich zu etwas entschließt. Gerade die Abwesenheit guter Gründe ist es, die als Grund dafür genommen wird, sich zu entscheiden. Durch eine Entscheidung kann man erst zu der Erkenntnis gelangen, an der es zuvor noch gemangelt hatte. Man findet heraus, ob man richtig oder falsch gehandelt hat. Diese Art von Entscheidung ist meist die menschliche Art: die entschlossene Entscheidung trotz Erkenntnismangels. Wenn Menschen sich im Wald verirren, müssen sie irgendwann sich einfach für einen beliebigen Weg entscheiden, obwohl sie nicht wissen, welcher der richtige Weg ist.

Auch bei der dritten Art von Entscheidung herrscht eine Abwesenheit guter Gründe. Diese wird allerdings nicht zum Anlass genommen, sich dennoch zu entscheiden. Stattdessen wird in Gleichgültigkeit verharrt. Man hält sich in dieser Indifferenz alle Möglichkeiten offen, verwirklicht aber keine der Optionen. Dies ist keine Negation der Entscheidung, sondern eine Privation, also eine Beraubung der Entscheidung, die aus der Möglichkeit der Entscheidung selbst erfolgt. Man hat keine Orientierung und schafft sich auch keine Orientierung. Bei diesem Typ von Entscheidung hat man ein Minimum an Freiheit. Bleibt man im Wald einfach stehen und entscheidet sich aufgrund des eigenen Unwissens nicht für einen vermutlich falschen Weg, hält man sich zwar alles offen, aber findet nie aus dem Wald heraus.

Wie kommt es zur Illusion von Freiheit und wie vermeidet man sie?

Die Freiheit muss verwirklicht werden durch eine Gewissheit in der Entscheidung. Wer sich nicht entscheidet, also vor der sog. Freiheit der Wahl steht und dort verharrt, hat extrem wenig Freiheit. Sie wird nicht verwirklicht, wenn man stets versucht, sich Möglichkeiten offen zu halten. Möglichkeiten offen zu halten, bedeutet nämlich, nichts zu verwirklichen. Dies kann keine Freiheit sein.

Durch eine unverständige Vorstellung von Freiheit generieren sich Menschen oftmals bloße Möglichkeiten und glauben, sich damit mehr Freiheiten zu verschaffen. Wenn man sich Möglichkeiten offen hält, ist man in Wirklichkeit gleichgültig, also indifferent, zu den einzelnen Möglichkeiten. Man irrt sich, wenn man sich nicht entscheidet und dies für eine Verwirklichung von Freiheit hält. Diesem Irrtum kann man nur entkommen, wenn man den Verstand nutzt und Entscheidungen trifft und so tatsächlich Freiheit verwirklicht.

Dies kann man auf viele Beispiele im Leben anwenden: Entscheidet man aus ganzem Herzen für eine Beziehung, einen Job oder einen Lebensweg oder hält man sich viele Wege offen und beschreitet möglicherweise keinen Weg voll und ganz? Dabei darf man dann an Descartes im Wald denken, um zu sehen, wann man Freiheit wirklich lebt.


Literatur: Descartes, René: Abhandlung über die Methode, richtig zu denken und Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen, Dritter Abschnitt.

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