Wer war Michel Foucault?

Michel Foucault ist einer der faszinierendsten Psychologen und Philosophen des 20. Jahrhunderts. Er war nicht nur Psychologe und Philosoph, sondern auch Historiker und Aktivist. Ein Blick in sein Leben und in sein Denken ist daher besonders lohnenswert, weil er Theorie und Praxis verband und dazu immer wieder neu dachte über Sexualität, Macht und Wissen. Er bezeichnete sich als Archäologen der abendländischen Kultur.

Leben

Foucault wurde 1926 in eine französische Medizinerfamilie geboren. Er wollte ursprünglich Geschichtslehrer werden, was man an seinen Werken merkt. Sein Vater will jedoch, dass er etwas anderes studiert. 1946 beginnt Foucault mit dem Studium der Psychologie und Philosophie, zumindest mit Psychologie dürfte sein Vater zufrieden gewesen sein. Nachdem Studium und der Beschäftigung mit Methoden der Psychologie, liest er unter anderem Marx, Freud und Nietzsche. Besonders letzterer prägt ihn sehr. 1950 tritt Michel Foucault in die Kommunistische Partei Frankreichs ein, verlässt sie aber schon '53 wieder, da – je nach Quelle – ihm die Einstellungen der Partei entweder zum Stalinismus oder zu (seiner) Homosexualität nicht vertretbar erscheinen.

In den 50er-Jahren hat Foucault längere Aufenthalte in Schweden, Polen und Deutschland, jeweils auch als Leiter französischer Kultureinrichtungen. In Tunesien wird er 1965 Philosophieprofessor. Dieser ungewöhnliche Weg raus aus Frankreich ist besonders dem Denken Satres geschuldet, dem er so aus dem Weg geht, bis er sich selbst einen Namen gemacht hat.

1970 wird Foucault Professor für die Geschichte der Denksysteme am College de France in Paris am eigens für ihn geschaffenen Lehrstuhl. Dies ist eine große Ehre, da das College de France die wissenschaftliche Einrichtung mit dem höchsten Prestige in Frankreich ist. Dort lehrt er bis zu seinem Tod an AIDS 1984.

Einflüsse

In den 50er Jahren hat Foucault Marx, Heidegger, Freud und Nietzsche gelesen. Besonders Nietzsche ist prägend gewesen. Beeinflusst wurde er allerdings auch im historischen Kontext durch die Studentenproteste 1968, bei denen er mit auf der Straße war, und die Schwulenszene in Kalifornien, die sein Denken in seinen letzten 10 Jahren noch einmal geändert haben.

Werke

Von Foucaults Werken sind folgende besonders zu erwähnen:

1961: Wahnsinn und Gesellschaft. Es handelt sich um einen geschichtlichen Abriss über den Umgang der Macht mit Irren/Wahnsinnigen/Verrückten. Dabei stellt Foucault fest, dass bis ins 17. Jahrhundert Dorftrottel oder Hofnarren Teil der Gesellschaft waren und nicht ausgeschlossen wurden. Wahnsinnigen kamen teils sogar wichtige Funktionen zu: Hofnarren hatten kritische Funktionen und sprachen auch einen Teil der Wahrheit. Im 17./18. Jahrhundert wurde begonnen, Wahnsinnige, wie auch andere Störer der öffentlichen Ordnung (wie Homosexuelle) aus der Gesellschaft auszuschließen, bzw. sie einzuschließen. Sie wurden von der Gesellschaft separiert und wurden Untersuchungsobjekte. Im Denken dieser Zeit wurden sie in Systeme eingeordnet und begutachtet, da sie nicht normal waren.

1966: Die Ordnung der Dinge: Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Es ist ausdrücklich keine Geschichte der Wissenschaften, wohl aber eine Analyse der unbewussten Grundeinstellungen. Dieses Buch macht Foucault national und international bekannt. Hier stellt Foucault klar, dass die Bedeutung von Menschen in der Wissenschaft eine junge Erfindung ist. Strukturen und Denksysteme stehen im Mittelpunkt für Theorien, Meinungen und Praktiken. Foucault untersucht in der Ordnung der Dinge, wie Wissen in einer Epoche zustande kommt. Dabei denkt er in Brüchen. Einen solchen sieht er zwischen dem 16. und dem 17./18. Jahrhundert, als man aufhört, nach der Logik der Ähnlichkeit Dinge in der Naturwissenschaft bloß zu beschreiben und im neuen Zeitalter der Repräsentationen mit Abstraktionen arbeitet, die sich in Systematiken einordnen lassen und jedem Ding in der Wirklichkeit einen Platz zuweisen. Die Rolle des Menschen wird nach Foucault erst in der sog. Sattelzeit (18./19.Jhd.) wichtig, u.a. mit Kant. Es ist die Zeit der Genealogien, der Geschichte. Der Mensch wird nun auch begriffen als Bedingung der Erkenntnis der Dinge.

1969: Archäologie des Wissens. Dieses Buch handelt von der Diskursanalyse oder von der „Archäologie“ von Diskursformationen.

1975: Überwachen und Strafen. Foucault untersucht hier Macht anhand Gefängnissen, Strafen und Disziplinierungsmechanismen. Dabei geht Foucault wieder in die Geschichte zurück. Bis zum 17. Jahrhundert sieht Foucault Strafen als öffentlich mit Qualen praktiziert, oft auf dem Marktplatz. Der Wandel kommt auch hier im 17./18. Jahrhundert mit Anstalten und Zuchthäusern. Verrückte und Verbrecher werden weggesperrt und von der Gesellschaft ferngehalten. Außerdem werden Gefangene Untersuchungsobjekte. Hier erkennt Foucault Ähnlichkeiten zwischen Gefängnissen, Psychiatrien, Schulen, Kasernen und Krankenhäusern. Das systematische und rationale Denken gliedert Individuen räumlich und zeitlich in Parzellen. Sie müssen einfach zu überwachen, vermessen und kontrollieren sein. Der Arbeiter in der Fabrik muss nach Funktion eingesetzt werden und die Leistung muss vom Chef kontrolliert werden. Der Schüler muss überwacht werden vom Lehrer und auch seine Leistung muss einfach kontrollierbar sein. Alles muss quantifizierbar sein und aus der Masse muss eine Sammlung an Individuen werden. Ebenso in Kasernen und Krankenhäusern. Diese Gemeinsamkeiten der Disziplinierung des Körpers erkennt Foucault in diesem Werk.

1976: Wille zum Wissen (Sexualität und Wahrheit Band 1). Dies ist eine Analyse von Machtstrukturen anhand der Sexualität.

1984: Der Gebrauch der Lüste (Band 2). Foucault behandelt in diesem Buch Sexualität und Mechanismen der Moral im antiken Griechenland und lässt seine Erfahrungen aus der Schwulenszene in Kalifornien einfließen. Er gibt nun dem Menschen die Möglichkeit, sich selbst neu zu erfinden und aus Strukturen auszubrechen: Lebensstil, Formen der Sexualität usw.


Literatur: Sarasin, Philipp: Michel Foucault zur Einführung. Hamburg 2005.

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