Weibliche Genitalien im deutschen Recht
Die weibliche Brust wird jeden Sommer in den Freibädern der Republik zum Thema. Sie sei benachteiligt. Es werde gefordert, sie zu verdecken, während die männliche Brust ohne Scham das Licht der Welt erblicken darf. Ist das eine unverschämte Benachteiligung der weiblichen Brust oder rechtlich sogar konsequent?
Freiheit für alle Brüste
Ariane Fries schrieb im Spiegel am 22.09.2022, dass man endlich mit nackten Brüsten klarkommen soll. Noch immer würden diese benachteiligt, weil manche Menschen sich von weiblichen Brüsten gestört fühlten – und zwar nur von weiblichen Brüsten. Das sei diskriminierend. Im Gegensatz zu männlichen Brüsten müssen weibliche vielerorts noch bedeckt sein. Das sei ungerecht, Brust sei nämlich Brust, ganz gleich ob männlich oder weiblich. Folgerichtig wurden in einigen Städten andere Kleidervorschriften für kommunale Badeanstalten gefordert. Die Frankfurter Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt meinte dementsprechend:
"in Zeiten, in denen Gleichstellung und Akzeptanz unterschiedlicher Geschlechter- und Geschlechtsidentitäten als grundlegende Werte und gesellschaftliche Ziele gelten, es nicht länger vertretbar ist, dass Menschen unterschiedlichen Geschlechts und geschlechtlicher Identitäten verschiedene Kleiderregeln hinnehmen müssen" (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.03.2024, Nr. 59, S. 5)
Der Trend ist nun, dass Brüste aller Geschlechter die gleiche Freiheit genießen sollen und nur noch die primären Geschlechtsmerkmale zu verhüllen seien.
Schutz nur für die weibliche Brust
Allerdings passt das nicht so ganz mit dem noch recht neuen Paragraphen 184k I Nr. 1 StGB zusammen. Dieser weist der weiblichen Brust klar eine Sonderrolle zu:
"(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind,"
Das Geschlecht spielt in diesem Paragraphen für Genitalien und Gesäß keinerlei Rolle, die Brust wird dagegen explizit als weiblich spezifiziert. Dementsprechend hat die weibliche Brust im deutschen Recht eine andere Bedeutung als die männliche: Sie ist besonders schutzbedürftig (Downblousing). Woher kommt dieser Schutz? Vermutlich daher, dass weibliche Brüste im Gegensatz zu männlichen sekundäre Geschlechtsmerkmale sind (oder überwiegend als solche gesehen werden).
Scheinbar sind weibliche Brüste heutzutage genauso freiheitsliebend wie männliche, aber immer noch etwas schutzbedürftiger.
Ausführlicher wird die weibliche Brust im Kontext dieses Paragraphen und ihre umstrittene Rolle als sekundäres Geschlechtsmerkmal hier behandelt: https://kripoz.de/2022/07/28/die-strafbarkeit-des-upskirting-und-des-downblousing-der-neue-%C2%A7-184k-stgb-gelungene-reform-oder-politischer-aktivismus/
Schutz nur für weibliche Genitalien
Übrigens ist die Brust nicht das einzige Geschlechtsmerkmal, das bei Frauen rechtlich schutzbedürftiger ist als das männliche Gegenstück. Paragraph 226a I StGB schützt explizit und ausschließlich äußere Genitalien einer weiblichen Person:
"(1) Wer die äußeren Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft."
Die männlichen Genitalien brauchen diesen Schutz nicht. Der Grund dafür sind uralte Bücher mit vermeintlich heiligen Texten ("Religionsfreiheit"). Aufgrund des Urteils vom Landgericht Köln im Jahr 2012 und der darauf folgenden Beschneidungsdebatte musste etwas getan werden, um zu verhindern, dass das Herumschnippeln an Genitalien von Buben als Körperverletzung strafbar ist. Der Gesetzgeber klärte mit § 1631d BGB diese missliche Rechtslage und erlaubt – Gott sei Dank! – die Beschneidung des explizit männlichen Kindes auch ohne dessen Einwilligung:
"(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird."