Thanos, Dr. Sienna Brooks und die Reproduktionszahl von Menschen

  • Von Michael Crass
  • 1. Juli 2020

Die Covid-19-Pandemie ist eine lehrreiche Erfahrung für die ganze Weltbevölkerung. Jetzt sind nicht nur Corona-Viren in aller Munde (oder allen Masken), sondern auch mehr Wissen über Wachstum und Reproduktionszahlen in den Köpfen. Diese Pandemie kam allerdings einige Jahre zu spät, um zu verhindern, dass die Filme Inferno (2016) und besonders Avengers: Infinity War (2018) Kritiker und die Massen in dieser Menge überzeugen konnten. Hier eine kurze Darstellung des gemeinsamen Denkfehlers von Bertrand Zobrist (Ben Foster), Dr. Sienna Brooks (Felicity Jones) und Thanos (Josh Brolin).

Inferno

Der Film Inferno basiert auf dem Thriller von Dan Brown. Es geht darum, dass nach Ansicht des fachlich guten und vermeintlich verrückten Wissenschaftlers Bertrand Zobrist die menschliche Bevölkerung zu groß geworden ist und dadurch die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört werden. Die Menschheit wachse schlicht zu schnell. Der hier relevante Unterschied zwischen dem Film und seiner Buchvorlage ist, dass dieser Wissenschaftler in der Buchvorlage ein Drittel der menschlichen Weltbevölkerung per Virus zwangssterilisieren möchte, also das machen will, was die chinesische Regierung derzeit einsetzt, um sich langsam aber sicher unerwünschter Bevölkerungsgruppen zu entledigen. Im Film will Zobrist dagegen ein tödliches Virus freisetzen, um eine Pandemie zu erzeugen und die Hälfte der menschlichen Weltbevölkerung zu töten.

"It took the Earth's population 100,000 years to reach a billion people. And then just 100 more to reach two billion. And only 50 years to double again. [...] We are destroying the very means by which life is sustained. [...] Every single global ill that plagues the Earth can be traced back to human overpopulation. [...] There is a switch. If you throw it, half the people on earth will die, but if you don't, in 100 years, the human race will be extinct."

Der offensichtliche Fehler hinter diesem Plan ist, dass das Wachstum, die Geschwindigkeit, in der sich die Weltbevölkerung ändert, durch keine einmalige drastische Bevölkerungsreduktion verändert wird. Die Geburtenziffer (Lebendgeborene pro 1.000 Einwohner) verändert sich nicht nachhaltig, wenn einmalig die Hälfte der Menschen stirbt. Es erwartet auch niemand, dass ein Corona-Virus dann weniger infektiös wird, wenn es weniger Infizierte gibt. Wenn sich die Weltbevölkerung alle 50 Jahre verdoppelt, dann ist durch den Tod der Häfte der Menschheit das Problem der Überbevölkerung eben bloß um 50 Jahre verschoben, nicht aber aufgehoben.

Vielleicht ist das den Protagonisten in Inferno aber auch klar: Zobrist und Brooks gehen nämlich naiverweise davon aus, dass das Sterben von vier Milliarden Menschen zu einem Umdenken führen wird: "Nothing changes behavior like pain. Maybe pain can save us." Und so meint Brooks: "[...] but the crisis will be averted. It's what nature demands. The problem won't just be slowed down, it'll be solved. permanently."

Infinity War

Im Film Infinity War löscht Thanos mit einem Handschuh und sechs magischen "Infinity-Stones" durch sein Fingerschnippen die Hälfte aller Lebewesen im gesamten Universum aus, weil auch er in der Überbevölkerung die Ursache von Leid sieht. Da es nur begrenzte Ressourcen gebe, müsse auch die Zahl der Lebewesen begrenzt werden. Thanos scheint davon auszugehen, dass sich eine Gesellschaft, die ihr Bevölkerungswachstum nicht künstlich steuert (wie bspw. Chinas Ein-Kind-Politik), zusammenbricht und dadurch mehr Leid entsteht.

"Little one, it’s a simple calculus. This universe is finite, its resources, finite… if life is left unchecked, life will cease to exist. It needs correction."

Seine Lösung ist die einmalige Halbierung der Bevölkerung. Wie im Inferno-Beispiel bereits gesehen, ist diese Rechnung wirklich "simple calculus", nämlich zu simplifiziert. Thanos erläutert seinen Plan und seine Motive folgendermaßen:

"It was. And it was beautiful. Titan was like most planets. Too many mouths, not enough to go around. And when we faced extinction, I offered a solution."
"Genocide?"
"But at random, dispassionate, fair to rich and poor alike. They called me a madman, and what I predicted came to pass."
"Congratulations. You're a prophet."
"I'm a survivor."
"Who wants to murder trillions."
"With all six Stones, I could simply snap my fingers. They would all cease to exist. I call that... mercy."
"And then what?"
"I finally rest. And watch the sun rise on a grateful universe. The hardest choices require the strongest wills."

Je nach lokaler Geburtenrate müsste Thanos allerdings auf den verschiedenen Planeten noch mehrmals mit den Fingern schnippen, und kann sich nie zur Ruhe setzen. Das wusste er allerdings nicht, weswegen er danach die Infinity-Stones zerstört hat. (Auf dieses Ende folgte leider noch der Film Endgame.)

Fazit

In Inferno scheint den Akteuren bewusst zu sein, dass Geburtenziffern nicht unbedingt durch ein Massensterben nachhaltig verändert werden können, und sie verlassen sich daher sich auf die naive Vorstellung, dass die Menschheit kollektiv geschockt und dadurch gebessert werden kann. Im Film Infinity War dagegen hält man die Mathematik gerne simpel und ändert auch nichts – besonders mit Endgame.