Sollte man AfD-Mitglieder rein aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der AfD aus Vereinen ausschließen?
Vor kurzem hat die Mitteldeutsche evangelische Kirche beschlossen, AfD-Mitglieder für Führungsrollen auszuschließen. Das wirft die Frage auf, ob es richtig ist, AfD-Mitglieder rein aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der AfD von Leitungspositionen auszuschließen bzw. sogar generell eine Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft zu beschließen?
Was machen andere? Was macht die AfD?
Zunächst einmal ist das unabhängig davon, ob man es sachlich gut begründen kann, gang und gäbe. Auch die AfD hat eine Unvereinbarkeitsliste. Sie schließt die gleichzeitige Mitgliedschaft in der AfD und Vereinen bzw. Organisationen aus dem Bereichen Ausländerextremismus, Rechtsextremismus, Linksextremismus, Islamismus / Islamistischer Terrorismus und Scientology aus. Außerdem ist die Mitgliedschaft in kriminellen Vereinigungen ein Ausschlussgrund. Auf dieser Liste sind u.a.: PEGIDA Franken, Nationalistische Front, Scientology-Organisation, Sozialistische Linke, Rigaer 94, Linksjugend [`solid] Landesverband Bayern, marx21, Antifa, Bandidos MC Federation West Central, Muslimbruderschaft, Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V., Bremer Hilfswerk e.V., Ülkücü-Bewegung (Graue Wölfe) und die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
Generell haben viele Parteien Unvereinbarkeitsbeschlüsse. Die CDU hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit Bezug auf die Linke und die AfD. Meistens schließen Parteien sowieso die gleichzeitige Mitgliedschaft in Konkurrenzparteien aus, z.B. die SPD im Organisationsstatut. Man könnte die Diskussion also an dieser Stelle abbrechen, weil Unvereinbarkeitslisten üblich sind und auch die AfD das so praktiziert macht. Das ist allerdings kein sachliches Argument.
Sachliche Argumentation
Die Mitgliedschaft in einer Partei zu einem Ausschlusskriterium für die Mitgliedschaft in einem Verein zu machen, kann man mit folgender Argumentation falsch finden.
Menschen kann man nach Handlungen bewerten. Äußerungen sind auch Handlungen. Möglicherweise sind manche Handlungen schlechterdings intolerabel.
Damit die AfD-Parteizugehörigkeit ein wohlbegründetes Ausschlusskriterium sein kann, muss der Beitritt bzw. das Unterlassen des Austritts als Handlung gesehen werden. Und außerdem muss dafür die AfD eine hinreichend extreme Partei sein.
Analog zu menschlichen Handlungen kann man bei Gruppierungen wie Parteien nur Beschlüsse wie Wahlprogramme sehen. Man könnte zwar argumentieren, dass Vorstandsmitglieder Parteien repräsentieren, aber deren Äußerungen auf Wahlkampfständen o.Ä. sind keine der Parteien. Kein Partei- oder Vorstandsmitglied ist immer nur ein Parteirepräsentant, sondern in der Regel einfach eine Einzelperson. Nur Individuen können nämlich handeln. Als Anhänger des methodischen Individualismus kann man das nicht anders sehen: Gruppen haben keine eigene Handlungsfähigkeit, aber sinnvollerweise muss man programmatische Beschlüsse als Handlungen in diesem Sinne sehen. In Geiselhaft für Parteien gehalten zu werden, ist also nur für programmatische Beschlüsse der Parteimitglieder sinnvoll. Was die Programmatik der Partei ist, lässt sich in Veröffentlichungen wie in Parteiprogrammen überprüfen. Sind diese "sauber" bzw. "auf dem Boden des Grundgesetzes", so ist es schwierig, ein solches Ausschlusskriterium sachlich zu begründen.
Pragmatische Argumentation
Eine andere Herangehensweise ist sicher näher an der Lebenswirklichkeit. In der Öffentlichkeit hat ein Ausschlusskriterium der Art, dass AfDler nicht Mitglied in dem eigenen Verein sein dürfen, eher positive als negative Folgen. Ein solcher Beschluss klingt gut, zeitgemäß, progressiv, demokratisch und weltoffen. Das sind Zuschreibungen, die man hinterfragen könnte. Aber wer macht das denn? Welchen Imageschaden durch wessen Berichterstattung hätte man zu befürchten?
Sachlicher Kompromissversuch
Man könnte einen Rückbezug auf das individuelle Handeln wagen und insbesondere darauf schauen, warum man überhaupt ein Ausschlusskriterium erwägt. Was meint man konkret, wenn man sagt, dass die AfD eine extreme Partei ist und AfD-Mitglieder daher nicht willkommen sind? Es muss bestimmte Handlungen geben, die man nicht gutheißt. Die einfache Konsequenz wäre demnach: Selbst so handeln, wie man es für richtig hält und gegebenenfalls den unerwünschten Handlungen Anderer zielgerichtet entgegenwirken.
Wenn man also keine AfD-Mitglieder im eigenen Verein haben möchte, weil man annimmt, dass diese allesamt gegen Menschen mit Migrationshintergrund seien, könnte man die eigene Position zu Menschen mit Migrationshintergrund überprüfen. Sollte die Annahme über AfD-Mitglieder stimmen, kann man herausfinden, ob man sich denn von diesen in dieser Hinsicht unterscheidet. Sollte es einen Unterschied geben, kann man das eigene Handeln entsprechend darauf ausrichten und etwa Beschlüsse für Toleranz fassen oder Maßnahmen zur Integrationsförderung beschließen. Alles muss natürlich im Kontext des Vereinszwecks sinnvoll sein.
Der eigene Verein wird also einfach dadurch für AfD-Mitglieder unattraktiv, dass der Verein Beschlüsse trifft, die inhaltlich nicht von AfD-Mitgliedern mitgetragen werden können. Wenn ein Verein sachlich mit der AfD unvereinbar ist, dann äußert sich das ganz natürlich in den Beschlüssen und hat Folgen auf die Mitgliederstruktur. Das geschieht, indem den Werten der Mitglieder durch Debatten und Beschlüssen Ausdruck verliehen wird. Dafür muss ein Verein allerdings lebendig sein und kann sich nicht alleine auf turnusmäßige Mitgliederversammlungen beschränken.
Quellen
- Mitteldeutsche evangelische Kirche und die AfD: https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/evangelische-kirche-kirche-in-mitteldeutschland-verbietet-afd-mitgliedern-leitende-positionen-a-34712bbc-c2cf-4531-bb8a-3c6c2a667d62
- AfD Unvereinbarkeitsliste: https://www.afd.de/wp-content/uploads/2021/08/Unvereinbarkeitsliste-Mitgliedschaft-AfD-2023_12_18.pdf
- CDU Unvereinbarkeitsbeschluss: https://archiv.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/cdu_deutschlands_unsere_haltung_zu_linkspartei_und_afd_0.pdf?file=1
- SPD Organisationsstatut: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Parteiorganisation/SPD_Orgastatut_2024.pdf