Krabat unzensiert – „Der Schmierfink“ von Dana Polz (Rezension)

  • Von Professor Zaius
  • 3. August 2019

Eines vorweg: Im Gegensatz zu Krabat ist Der Schmierfink trotz seines verspielt gestalteten Umschlags kein Kinderbuch. Das beweist die Autorin, indem sie Seite um Seite Handlung und Sprache eskaliert. Dadurch wird ebenso wie bei Krabat genug Spannung erzeugt, um den Roman in einer Sitzung durchzulesen – bei fast 300 Seiten keine Selbstverständlichkeit. Polz setzt dabei in ihrer Variation des Internatsromans nicht – wie so oft bei anderen Schriftstellern zu finden – auf das Übersinnliche, sondern ködert den Leser mit Paranoia und Grausamkeit.

Zur Freude der Rezensenten fasst der Klappentext den Inhalt des Romans prägnant zusammen: „Vom Vater misshandelt. Von den Pflegeeltern abgeschoben. Schon früh wird Linus Lopez verhaltensauffällig. Als man ihn auf ein renommiertes Internat schickt, scheint sein Leben eine positive Wendung zu erfahren. Doch Linus ahnt schon sehr bald, dass das wahre Grauen gerade erst begonnen hat …“ Linus Lopez ist „ein Held unserer Zeit“ (Lermontow), d.h. ein Problemjugendlicher, in den sich die Autorin laut einer Besprechung bei der FNP mühelos hineinversetzt. Die niedrigen Barrieren beim Schreiben ergaben sich wohl daraus, dass die gesellschaftliche Verdummung und die jugendliche Bräsigkeit des Protagonisten absolut geschlechtsneutrale Eigenschaften sind. Linus Lopez hätte auch als Lina Lopez funktioniert, „eine unerträgliche Zicke, die man mit Rotz an die Wand nageln möchte“ (Harald Schmidt), deren Charakter durch unkonventionelle Erziehungsmethoden ein Stück weit verbessert wird. Ein verhinderter Entwicklungsroman eben.

Die Handlungsstruktur bleibt dagegen derart konventionell, dass sich in den letzten Kapiteln die Ereignisse schlichtweg überschlagen und das beklemmende Sujet ins Fanfic-Territorium abdriftet. Das ist insofern schade, weil durch das Ende originelle Ideen, Stilblüten und der einzigartige – gerade, weil flache – Humor der Autorin nachträglich revidiert werden. Von der Atmosphäre her hätte der Roman von einer sprunghafteren Erzählweise und einem offenen Ende eher profitiert.

Im Endeffekt ist Der Schmierfink ein Buch, das man nach dem Lesen hassen möchte, Teile davon aber durchaus lieben kann. Verantwortlich dafür sind nicht etwa der unsympathische Protagonist oder das unbequeme Thema, sondern allein die Autorin, die sowohl ihre Stärken als auch ihre Schwächen in ihren Debütroman einbringt. Damit ist Der Schmierfink wie ein Selbstgebrannter durchwachsen, aber aufrichtig – und sorgt selbst Tage danach für Katerstimmung.

Der Schmierfink
Autorin: Dana Polz
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN: 978-3-946112-09-9
Preis: 16,00 EUR
ggf. zzgl. Versandkosten
Seitenanzahl: 279
Sprache: deutsch
265 × 175 mm
Hardcover
https://www.edition-federleicht.de/produkt/dana-polz-der-schmierfink-roman
Affenspass.de bedankt sich für das kostenlose Rezensionsexemplar bei Dana Polz und edition federleicht.