Ist der Mensch nach Thomas Hobbes von Natur aus schlecht?

Das Menschenbild des englischen Philosophen Thomas Hobbes (1588–1679) wird oft als ein sehr negatives dargestellt mit dem Zitat aus dem Leviathan: "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf". Der Mensch soll von Natur aus schlecht sein. Doch ist das wirklich so? Und was sagt das Wolf-Zitat eigentlich wirklich aus?

Welche Bedeutung hat "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf"?

Der Satz "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf" taucht im 1651 erschienenen Leviathan ("Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und staatlichen Gemeinwesens") nur ein einziges Mal auf: in der Widmung an den Grafen Wilhelm von Devonshire, also einem Teil, der nicht an die Öffentlichkeit gerichtet war. Wie wichtig kann Thomas Hobbes dieser Satz also sein, wenn er bloß ein einziges Mal im ganzen Werk auftaucht, und dazu nicht einmal in dem für die Öffentlichkeit bestimmten Werk enthalten ist?

Schaut man genauer auf die Stelle in der Widmung, so findet man nicht bloß "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf", sondern mehr:

"Nun sind sicher beide Sätze wahr: Der Mensch ist ein Gott für den Menschen, und: Der Mensch ist ein Wolf für den Menschen; jener, wenn man die Bürger untereinander, dieser, wenn man die Staaten untereinander vergleicht."

Dabei entdeckt man, dass Hobbes an ebendieser Stelle im menschlichen Miteinander Gutes oder gar Göttliches sieht, während das Untereinander der Staaten schlecht ist. Der Mensch an sich bekommt hier also überhaupt keine schlechten Eigenschaften zugeschrieben. Vor dem Hintergrund des 30-jährigen Krieges (1618–1648) ist das besonders verständlich: Das einfache Volk hat diesen Religionskrieg nicht begonnen. Fürstenstaaten bekriegen einander, während das Volk darunter leidet.

Wie ist das Menschenbild von Thomas Hobbes?

Falls das Zitat der Widmung etwas über den Menschen aussagen soll, dann bloß, dass dem Menschen sowohl das Wölfische als auch das Göttliche zukommt, aber keine fixierende Anthropologie vorgenommen wird oder werden kann. Man kann also mit Hobbes nicht einfach sagen, dass der Mensch so oder so ist.

Unterstützt wird das auch dadurch, dass Hobbes in Kapitel 6 des Leviathan schreibt, dass einige, aber nicht viele Triebe dem Menschen angeboren sind, darunter die Nahrungsaufnahme und die Darmentleerung. Darüber hinaus ist dem Menschen alles andere anerzogen bzw. er hat es erlernt. Damit kann man nicht behaupten, dass der Mensch von Natur aus schlecht ist.

Wie kommen einige Menschen darauf, dass der Mensch nach Hobbes von Natur aus schlecht ist?

Zum einen schafft das Wolf-Zitat eine solche Wirkung, wenn man es aus dem Zusammenhang reißt und ignoriert, dass der Mensch dem Menschen ein Gott ist.

Zum anderen zeigt der Naturzustand, den Hobbes entwirft, Menschen von ihrer schlimmstmöglichen Seite. Er zeigt, wie sie sind, wenn es ihnen an Dingen mangelt, die sie dringend zum Überleben brauchen. Wenn der Mensch nicht genug zum Essen hat, kann er sich auch keine Moral leisten. Es geht dann ums nackte Überleben. Die Welt von Hobbes ist keine Überflussgesellschaft, es herrscht noch Knappheit und er konnte sich mit Sicherheit noch nicht vorstellen, dass Nahrungsmittel so günstig verfügbar sein könnten, wie sie es im 21. Jahrhundert in Europa sind. In Wohlstand lebend brauchen Menschen nach Hobbes nicht schlecht zueinander sein, da das nicht in ihnen steckt und es nicht ums Überleben geht. Wenn man den Naturzustand im falschen Kontext betrachtet, wirkt Hobbes sehr negativ.

Fazit

Das Menschenbild vom Thomas Hobbes ist kein negatives und ganz besonders vertritt er keine fixierende Anthropologie. Das üble Bild vom Wolf kann man leicht mit sehr, sehr geringem Leseaufwand korrigieren.

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