Der unzweifelhaft tödliche Gottkomplex der Mediziner

Mediziner töteten aus grober Fahrlässigkeit, weil sie nie zweifelten. Wer zweifelt, offenbart, dass er von etwas nicht komplett überzeugt ist. Er scheint eine Schwäche zu offenbaren, doch Zweifel sind wichtig für den Fortschritt von Wissenschaft und Medizin.

Im Artikel über die Bedeutung von Nichtwissen ging es bereits darum, dass es hilfreich ist, zu wissen, was man nicht weiß, weil man dann bescheidener ist und gezielter Defizite bekämpfen kann. Das wichtigste Wissen ist das Wissen um das eigene Nichtwissen.

Das Nichtwissen der Mediziner war tödlich

Bis in die 50er Jahre galt in der Medizin das Prinzip „Egal was der Arzt glaubt – glaub ihm oder glaub dran“. Der Arzt hat Vermutungen aufgestellt und aufgrund seiner Vermutungen wurde der Patient behandelt – ganz gleich, ob eine Therapie oder die Medikamente überhaupt schon einmal zu Genesung eines Patienten beigetragen haben oder nicht. Überprüft wurden die Methoden der Mediziner erst im Laufe der letzten 70 Jahre. Das hatte viele – aus heutiger Sicht – merkwürdige Behandlungen und eine Vielzahl an Opfern zur Folge.

George Washington wurde 1799 beispielsweise bei einer Erkältung mit Quecksilber behandelt, weil man sich erhoffte, dass er mit einem ordentlichen Durchfall wieder gesund werden würde. Dazu musste er bluten, was ebenso im 18. Jahrhundert üblich war, wie auch schon 2000 Jahre zuvor. Diese Methodik wurde nicht hinterfragt, nicht überprüft. Frei nach dem bedeutenden Mediziner Galenos von Pergamon galt für jeden Mediziner: „Ich und niemand sonst, weiß, wie diese Krankheit zu behandeln ist“.

Solche Opfer gab es über Tausende von Jahre wohl Millionen. Vielfach wäre es besser gewesen, den Arzt einfach wegzulassen und stattdessen nichts zu tun und zu ruhen. Auch ein beliebiger Affe aus dem Zoo hätte, in einen weißen Kittel gekleidet, einen besseren Arzt abgegeben.

Wie behandelten Mediziner krankhaftes Masturbieren?

Noch bis vor wenigen Jahrzehnten war diese Frage redundant formuliert. Ludwig II. von Bayern war im 19. Jahrhundert wohl einer der berühmtesten Onanisten, der unter den „widernatürlichen Neigungen“ (Hilmes 2015:247) litt. Seine damals über Mittelsmänner anonym kontaktierten Ärzte hatten zahlreiche Ideen, was man gegen die Onaniesucht und die Selbstbefleckung machen könnte: kalte Waschungen der Geschlechtsteile, Opium, Schlafmittel, Elektroschocks, Beruhigungsmittel, Kokain, Arsen und noch vieles mehr. Das verursachte bei Ludwig unter anderem Kopf- und Magenschmerzen, Müdigkeit, Lethargie, Halluzinationen, Schlaflosigkeit, Verwirrtheit.

Immerhin hätte Ludwig damit verhindern sollen, dass er durchs Masturbieren Wahnvorstellungen bekommt. Doch die hatte er natürlich so oder so: Er träumte von einem neuen Königreich mit einem besseren Volk in Griechenland, Zypern, Afghanistan oder auf den kanarischen Inseln. Doch das Wedeln von der Palme konnte genauso wenig verhindert werden wie Ludwigs Träumen von einem Königreich unter Palmen. Wichtig war wohl nicht, ob die Medizin irgendwem helfen konnte, sondern, ob der Arzt dran glaubt.

Der Mediziner, der am 13. Juni 1886 mit Ludwig II. im Starnberger See in den Tod ging, war wohl nicht umsonst zu Beginn seines Studiums noch auf dem Weg ein Theologe zu werden. Statt an Gott glaubte er dann nach dem erfolgreichen Medizinstudium an seine eigenen unwissenschaftlichen, aber dafür göttlichen Methoden.

Fazit: Nicht Demut, sondern Hochmut steht dem Lernen im Weg!


Artikelbild: https://unsplash.com/@kellysikkema und eigene Bearbeitungen, C0, gemeinfrei
Literatur: Hilmes, Oliver (2015): Ludwig II. Der unzeitgemäße König. München.

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