Themen: vorvertragliche Pflichten (culpa in contrahendo) und Schutzwirkungen für Dritte
culpa in contrahendo
Culpa in contrahendo wurde vom Reichsgericht erfunden, weil es deliktische Ansprüche nicht für alle Fälle als ausreichend sah. So schuf es vorvertragliche Pflichten, die 2002 in das BGB übernommen wurden. Verschulden bei Vertragsschluss leitet sich aus §311 in Verbindung mit §280 und §241 BGB ab.
241 II BGB:
Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Vertragliche Pflichten
Die vertraglichen Pflichten teilen sich auf in primäre und sekundäre Pflichten. Die sekundären sind gesetzliche Pflichten, die zum Beispiel Schadensersatzansprüche beeinhalten. Die primären Pflichten lassen sich wiederum unterteilen in Leistungspflichten und Nebenpflichten. Die Leistungspflichten sind die klassischen Pflichten, die der Hauptgrund für den Vertrag für alle Vertragsparteien sind. Die Nebenpflichten sind zum Beispiel die Pflicht aus 241 II BGB, also, dass auf die Interessen der anderen Vertragsparteien zu achten ist.
Fälle zu c.i.c.
- Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
- Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
- die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
- ähnliche geschäftliche
- Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich
c.i.c. bei Jobvertragsverhandlung
Arbeitnehmer T verhandelt mit Chef I, als Vertreter für Unternehmen S. I sagt T, dass der Vertrag nur noch reine Formsache sei. Darauf kündigt T bei seinem Arbeitgeber R. Allerdings schließt I dann mit T keinen Vertrag, da es doch nicht klappt. Nun will T Schadensersatz von S. S ist eine juristische Person, vollständig rechtsfähig und wurde vertreten durch I. Es ist nun fraglich, ob vorvertragliche Pflichten durch die Vertragsverhandlung bestehen. Zu prüfen ist die Anspruchsgrundlage von I gegen S durch §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB:
Schuldverhältnis? Ein Schuldverhältnis besteht nach §311 II: Es gab Vertragsbverhandlungen. Pflichtverletzung? Es ist ein Vertrauensschaden entstanden, weil der Schein erweckt wurde, dass der Vetrag sicher und gewollt ist.
Vertreten müssen? Hat S den Schaden zu vertreten? Da nichts anderes angegeben, ist davon auszugehen.
Es besteht also ein Anspruch. T musste glauben, dass seine Kündigung risikofrei ist und er einen Vertrag schließen würde. Er hat Anspruch auf Zahlung des Verdienstausfalls, allerdings muss T sich auch auf Jobsuche begeben und muss den Schaden auch reduzieren nach §254 II BGB:
Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
Vertrag mit Schutzwirkungen für Dritte
Prinzipiell gelten Verträge nur zwischen den Vetragspartnern, also ein Vertrag zwischen A und B ist ohne rechtliche Auswirkungen auf C. Wenn allerdings Mutter M mit Tocher T im Laden L ist und dort T auf einem Salatblatt ausrutscht, dass vom zuverlässigen Mitarbeiter S versehentlich aus der Hand gefallen war, gelten vorvertragliche Pflichten auch im Bezug auf die Tochter. Schutzwirkungen auf Tocher T durch §§ 311 II und 241 II BGB gelten durch Schutzwirkungen auf Dritte unter vier Bedingungen:
- Leistungsnähe: Dritte T müssen den Gefahren genauso ausgesetzt sein wie Vertragspartner M. Das ist der Fall.
- Gläubigernähe: Es muss ein Einbeziehungsinteresse des Gläubigers M hat berechtigtes Interesse daran, dass T genauso geschützt ist, wie M. M hat ein absolut berechtigtes Interesse daran, dass für die Tochter das Schutzverhältnis gilt. In diesem Fall gibt es dazu ein Obhutsverhältnis.
- Erkennbarkeit für den Schuldner: Bedingungen 1 und 2 müssen für den Schuldner, also hier den Ladeninhaber erkennbar erfüllt sein. Das ist eindeutig der Fall. Er kann den Umfang der Schutzwirkung erkennen.
- Schutzbedürftigkeit des Dritten: Dritter darf keine eigenen vertraglichen Ansprüche haben. Das ist hier der Fall.
weiterer Fall zu c.i.c.
Es gibt vom Sportclub öffentliche Zeitungsanzeige für ein Dart-Turnier, das nach objektiver Betrachtung immer als öffentlich ohne Anmeldung zu verstehen ist. Außerdem wird dort immer nach Startgebühr um Geld gespielt. Spieler S fährt darauf hin zu diesem Turnier und verfährt dafür viel Benzin. Dort angekommen, darf er nicht mitspielen, weil er nicht Vereinsmitglied ist und fordert daher Schadensersatz für die Spritkosten. Hat er einen Anspruch? mögliche AGL: §280 in Verbindung mit §311 II BGB
Besteht ein Schuldverhältnis? Es ist kein Vertrag zustande gekommen, die Anzeige ist eine invitatio ad offerendum. Es ist kein bindendes Angebot gewesen. Möglicherweise besteht allerdings ein Anspruch aus
- 311 II BGB. Allerdings kann es sich auch um ein rein gesellschaftliches Ereignis handeln und alle Beteiligten wollen keine Rechtsbindung. Dagegen spricht allerdings wiederum, dass man Antrittsgeld zahlen muss und es ein Spiel um Geld ist. Es kann sich daher um eine Vertragsanbahnung handeln.
Gibt es eine Pflichtverletzung? Man musste darauf vertrauen, dass das Turnier öffentlich zugänglich ist, wie alle Turniere dieser Art.
Hat der Sportclub es zu vertreten? Der Sportclub hat es zu vertreten, da er den Aushang zu verantworten hat und wissen muss, dass es falsch zu verstehen ist.
Ist ein Schaden entstanden? Als Schaden kann man die Benzinkosten anführen, da S umsonst hingefahren ist. Allerdings kann man auch die Auffassung vertreten, dass er sowieso hingefahren wäre und daher keinen Schaden geltend machen kann. Ein Schaden muss immer gut begründet sein.